Ein philosophisches Parkour-Projekt für die katholische Jugendagentur
„Hallo, spreche ich mit Bruder Jakobus?“ Ich hätte nicht gedacht, dass ich mal mit einem Mönch über Parkour sprechen würde. Aber fangen wir vorne an.
Ich war unterwegs, um für ein Parkour-Sommercamp in Velbert Locations zu scouten. Bei Parkour-Workshops die Outdoor stattfinden, ist das oft der erste Schritt: Einen geeigneten Ort für Gruppengröße, Niveau und das geplante Bewegungskonzept zu finden. In der eher kleinen Gemeinde war die Spot-Auswahl nicht besonders üppig, aber ein Ort stach heraus: Der Mariendom. Ein Wallfahrtsort und vor allem ein Markenzeichen gigantischer Brutalismus-Architektur. Das Gelände um den Dom sah dementsprechend spannend aus – war aber leider nicht öffentlich, sondern in Kirchenbesitz. Also versuchte ich mein Glück mit einem Anruf bei der örtlichen katholischen Jugendagentur und wurde mit meinem Anliegen mit offenen Armen begrüßt. Da das Gelände vom Franziskaner-Orden verwaltet wurde, konnte mir allerdings nur der Ordensvorstand die Erlaubnis erteilen. Und so wurde mir prompt die Handynummer von Bruder Jakobus weitergeleitet. Zugegebenermaßen etwas perplex und respektvoll rief ich am nächsten Morgen beim Orden an und erhielt entgegen meiner Erwartung tatsächlich die Erlaubnis für den Workshop auf dem Kirchengelände. Aber das war erst der Anfang. Nach dem Workshop warf ich einen kurzen Blick durch die Domtüren und der Anblick war surreal: Der Mariendom war auch von Innen ein absolutes architektonisches Paradies für Parkour.
Kurze Zeit später saß ich mit Jugendseelsorger Max Moll von der katholischen Jugendagentur am Tisch und wir überlegten, ob und wie wir die Themen Parkour und Glaube zusammenbringen können. Die Idee: Den Kirchenraum durch Parkour neu erfahrbar machen und durch die außergewöhnliche Interaktion von Raum und Bewegung bestehende Konventionen infrage stellen. Das heißt konkret: Sport in der Kirche! Aber nicht einfach nur um zu provozieren. Vielmehr sollten überraschende Motive und Fragen entstehen, die Menschen zum Nachdenken über das tradierte Bild von Kirche und Religion anregen. Ein mutiger Ansatz für eine etablierte Institution wie die katholische Kirche. Heraus kam ein spannendes und bisher einzigartiges Projekt mit drei Bestandteilen.
Ein Parkour-Workshop mit Tiefgang
In einem halbtägigen Workshop wurde der Mariendom von Jugendlichen aus der Gemeinde erobert. Ein respektvoller Umgang mit dem Ort war selbstverständlich – aber mit dem Klischee, in einem Kirchenraum nur andächtig stillsitzen und leise sein zu müssen, wurde definitiv aufgeräumt. Das pädagogische Konzept des Workshops bewegte sich im Spannungsfeld zwischen der Parkour-Philosophie und alltäglichen Lebens- und Glaubensfragen:
- Was prägt deinen Blick auf die Welt?
- Was gibt dir Sicherheit?
- Welche Grenzen respektierst du?
- (Warum) vergleichst du dich?
- Was bedeutet Mut für dich?
- Wie findest du deinen Weg?
Jede Frage war dabei mit einer speziellen Bewegungs-Aufgabe im Kirchenraum gekoppelt. Die Gedanken zu den Fragen konnten sich daher sowohl sehr konkret aus der Bewegungserfahrung als auch abstrahiert aus dem eigenen kirchlichen und nicht-kirchlichen Alltag ergeben. Die ergebnisoffene Herangehensweise und das bewusste Spiel mit dem Gegensatz zwischen einem innovativen Trendsport und dem konservativen Image der katholischen Kirche hat dabei zu der einen oder anderen überraschenden Erkenntnis und neuen Impulsen für alle Teilnehmer geführt.
Ein Shooting in heiligen Hallen
Um das Projekt auch über die Zielgruppe des Workshops hinaus weiterzuführen, wurde sowohl der Workshop fotografisch begleitet als auch ein professionelles Shooting im Mariendom durchgeführt. Die Interaktion zwischen Raum und Bewegung wurde in insgesamt sechs Motiven entsprechend der sechs Leitfragen des Workshops festgehalten. Jedes Bild sollte in Kombination mit O-Tönen der Workshop-Teilnehmer die Besucher des Doms überraschen und zum Nachdenken über die sechs Zielfragen anregen.
Eine denkwürdige Ausstellung
In einer finalen Vernissage mit einer Eröffnungsveranstaltung und Podiumsdiskussion sollten die Motive und die Impulse der Jugendlichen aus dem Workshop abschließend für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Aufgrund der Corona-Einschränkungen konnte die Ausstellung leider bis zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht umgesetzt werden. Die Motive und Inhalte liegen allerdings schon bereit, um so bald wie möglich zum Denken anzuregen 😉
Möchten Sie auch einen außergewöhnlichen Ort mit Parkour inszenieren oder ein Coaching mit ihrer Klasse oder Jugendgruppe planen? Dann schreiben Sie uns!
Über StreetSkillz
StreetSkillz ist mit dem Ziel entstanden, das kreative und pädagogische Potential von Streetsport in die Schulen zu bringen, um über urbane Jugendkultur die Entwicklung junger Menschen zu fördern. Dabei geht es nicht nur um die sportliche Perspektive. Die Kultur und das Wertesystem im Streetsport können mentale, soziale und körperliche Kompetenzen mit einer ganzen Bandbreite neuer Erfahrungen und Eindrücke bereichern. Wir arbeiten mit authentischen Coaches aus der Szene. Mit pädagogischen Konzepten, die Grenzen herausfordern. Mit bewegten Erlebnissen, die bleibende Eindrücke hinterlassen. Mehr erfahren